Smart Cities – das ist die nächste Phase, die nach den Smart Homes auf uns wartet. Die deutsche Stadt Bottrop hat eine zweite Chance bekommen und lebt gerade wieder auf. Es wurde entschieden, dass die Stadt zur ökologischen Stadt der Zukunft werden soll, statt ein Dasein als alte Bergbausiedlung zu fristen.

Bis vor kurzem war Bottrop eine unauffällige Industriestadt im Ruhrgebiet, glücklicherweise in der Nähe wichtiger Fahrzeug- und Bahnverkehrswege gelegen. Das Bergwerk, die Raffinerie und einige Industrieanlagen boten Arbeitsplätze und waren die Grundlage für die Entwicklung der Stadt. Jetzt geht der Bergbau allmählich seinem Ende entgegen. Die Fördermenge wurde verringert, die Anzahl der Arbeitsplätze deutlich reduziert. Im besten Fall drohte der Stadt eine Stagnation. Die Krise war auch für die Polen spürbar, die hauptsächlich aus Schlesien hierher kamen, vor allem aus Bottrops Partnerstadt Gleiwitz. Sie arbeiteten im Bergwerk, gründeten sogar ihre eigene Fußballmannschaft, den FC Polonia Bottrop e.V. In letzter Zeit sind unsere Landsleute, wie andere Bewohner auch, Nutznießer einer breit angelegten Kampagne, die Bottrop zur InnovationCity machen soll. Heute spricht nicht nur das Ruhrgebiet darüber, sondern ganz Deutschland. Bald wird ganz Europa von den Ergebnissen der technologischen und mentalen Revolution, einer Art Experiment am offenen Körper der Stadt, erfahren.

 

Smart City

Das Ziel, das sich Bottrops Stadtobere gesetzt haben, ist klar, aber extrem schwer zu erreichen. Während in der Europäischen Union die CO2-Emissionen bis 2050 um 50% reduziert werden sollen, wollen sie es bis 2022 schaffen. Es scheint, dass der Erfolg in Sichtweite ist, da es bereits gelungen ist, die Emissionen um 38% zu reduzieren. Dies wäre jedoch nicht möglich gewesen, wäre man das Thema nicht in so großem Stile angegangen. Es wurde nämlich ausnahmslos die gesamte Stadt in die Kampagne mit einbezogen. Eine umfassende Thermomodernisierung wird sukzessiv in ganzen Wohnsiedlungen und öffentlichen Gebäuden durchgeführt. Überall tauchen auch Solaranlagen auf.

Die Einsparung von Energie bzw. ihre Gewinnung aus sog. erneuerbaren Quellen soll das Angesicht des alten, rauchigen Bottrops verändern. Der heutige Slogan lautet „Blue Sky – Green City“. Schluss mit Verschmutzung, postindustrieller Landschaft und hohen Instandhaltungskosten alter Häuser. Alles soll grün, günstig und modern werden. Zu diesem Zweck wurden fünf Aktionsbereiche festgelegt: Wohnen, Arbeit, Energie, Mobilität, Stadt. Dieser gut überlegte Plan hätte wahrscheinlich keine Erfolgschance, wäre da nicht die Beharrlichkeit der Stadtverwaltung, eine riesige Werbekampagne, die Unterstützung von 70 Partnerunternehmen und die Hilfe von 14 Forschungszentren bei der Unterstützung einzelner Projekte gewesen.

Das Projekt wird hauptsächlich aus öffentlichen Mitteln und verschiedenartigen Subventionen finanziert. Das Konsortium, das dieses Programm initiiert hat, rechnet damit, dass, wenn seine Mission in Bottrop am Ende realisiert ist, auch an andere Städte in Deutschland und anderen europäischen Ländern die bereits erprobte Idee aufnehmen werden.

 

Initiativen für die Stadt und ihre Bewohner

Das Jahr 1963 ist für Bottrop ausschlaggebend. Damals gab es einen industriellen Boom und man begann mit einem riesigen Ausbau. Es entstanden große Einfamilienhaussiedlungen, in die Arbeiter und ihre Familien einzogen. Heute erhalten diese Gebäude, die drei Viertel der gesamten Gebäudeinfrastruktur der Stadt ausmachen, ein zweites Leben. Sie werden in großem Umfang thermomodernisiert. Die Wände werden isoliert, alte Fenster gegen energiesparende ausgetauscht und bestehende Installationen weichen modernen, oft auf der Basis von Wärmepumpen zur Versorgung von Wasserfußbodenheizungen. Komplett mit Fotovoltaikzellen verkleidete Wände und Dächer sind ein alltäglicher Anblick. Nur eine dieser Anlagen an einem Wohnhaus kann jährlich 22.000 kW Energie produzieren. Wenn man bedenkt, dass der Energiebedarf eines modernisierten mittelgroßen Gebäudes etwa 19.000 kW pro Jahr beträgt, erreichen die Bewohner einen Überschuss von 3.000 kW. Dank eines aus Energiegenossenschaften geschaffenen Mikronetzwerks (Übertragung, Speicherung) können sie diesen Überschuss entweder weitergeben oder verkaufen.

Konsumenten werden so zu Prosumenten. Sie verbrauchen nicht nur Energie, sondern stellen sie auch selber her. Letztendlich sollen 10 Home-Power-Heizkraftwerke und bis zu 100 kleine Mikroheizkraftwerke in lokalen Siedlungsnetzwerken entstehen. Es wird auch geplant, Energie aus sog. kommunaler Biomasse zurückzugewinnen und ökologische Kläranlagen zu bauen. Viele Gebäude verfügen über intelligente Steuerungs- und Überwachungssysteme häuslicher Anlagen. Sie analysieren den Energieverbrauch und stellen sicher, dass er die festgelegten Grenzwerte nicht überschreitet. Doch die Thermomodernisierung und Investitionen in erneuerbare Energiequellen sind noch nicht alles. Insgesamt wurden 200 verschiedene Projekte initiiert, die den städtischen Raum klimafreundlich machen und die lokale Bevölkerung einbeziehen sollen. Bewohner konnten sie bewerten, verbessern und ihre eigenen Lösungen vorschlagen.

 

Eine Stadt mit Polyurethan-Wärmedämmung

An vielen Gebäuden, die einer thermischen Modernisierung unterzogen wurden, wurde modifiziertes Polyurethan – PIR-Hartschaum – zur Wärmedämmung angewandt. Wände, Dächer, Böden und Fundamente wurden mit diesem Material gegen Wärmeverlust geschützt. Dächer und ganze Gebäude wurden so isoliert. Als Beispiel kann das in der Stadtmitte gelegene Covestro-Gebäude dienen. An ihm wurden zur Isolation von Wänden, des Dachs und des gesamten Gebäudes Wärmedämmplatten aus Polyurethan verwendet. Nicht ohne Grund wurde dieses Material ausgewählt. Ausschlaggebend waren seine hervorragenden Wärmedämmungsparameter, ausgedrückt durch den niedrigen Wert des Wärmeleitkoeffizienten λ (nur 0,024 W/mK). Abgesehen von „kosmischen“ Zukunftsprodukten wie z.B. Aerogel kann sich heutzutage keines der Wärmedämmstoffe mit Polyurethan – PIR-Schaum – hinsichtlich der Wirksamkeit im Bereich der Haus- und Dachisolierung messen.

Wussten Sie, dass...?

In Bottrop befindet sich die längste Indoor-Skipiste der Welt. Die mehr als 640 m lange Strecke im Alpincenter Bottrop bietet Pisten für Anfänger und Fortgeschrittene. Leidenschaftliche Wintersportfans können sich an einem Hang mit 24 Prozent Gefälle versuchen. Für Freestyle-Enthusiasten gibt es im Funpark eine Sprungstrecke. In der Halle hat man zudem die Möglichkeit, Ausrüstung und einen Trainer zu mieten. Wer Herausforderungen anderer Art sucht, kann im angrenzenden Outdoor-Seilpark seinen Spaß haben, auf einer Sommerrodelbahn fahren oder seine Kräfte beim Paintball erproben. Eine besondere Attraktion ist das Fallschirmspringen im einzigen deutschen Luftkanal neben dem Gebäude.